Alopecia Areata im Kindesalter – aus der Sicht des Dermatologen

Die Alopecia Areata zeigt sich bei fast der Hälfte der Betroffenen mit ihrer Erstmanifestation¹ vor dem 20. Lebensjahr, nicht selten sogar mit einem ersten umschriebenen haarlosen Areal bereits vor Erreichen des 10. Lebensjahres.

Altersabhängig stellt die Alopecia Areata häufig für das Klein- und Schulkind selbst eine geringere Belastung dar als für die betroffenen Eltern, was sich bei Schulwechsel und vor allem mit Beginn der Pubertät ändert. Die verständlicherweise besorgten Eltern möchten schwerwiegende zugrundeliegende Erkrankungen ausschließen, nichts versäumen und nichts unversucht lassen.

Die Alopecia Areata, eine Autoimmunerkrankung mit genetischer Prädisposition² und familiär gehäuftem Auftreten tritt assoziiert mit Autoimmunerkrankungen und gehäuft mit einer atopischen Diathese³ auf. Es werden für den Krankheitsverlauf prognostisch günstige und ungünstige Faktoren unterschieden: Die Erstmanifestation im Kindesalter vor der Pubertät, das familiäre Auftreten, assoziierte Autoimmun­erkrankungen⁴, Bestehen eines atopischen Ekzems⁵, Nagelbeteiligung und eine Alopecia Areata Totalis/ universalis oder Alopecia Areata vom Ophiasis Typ (im Nackenbereich) werden als prognostisch ungünstige Faktoren gewertet.

Was sollte bei Erstmanifestation an Diagnostik gemacht werden?

Es ist wichtig, die o.g. prognostischen Faktoren abzuprüfen und den Patienten auf assoziierte Autoimmun­erkrankungen, speziell eine Schilddrüsenfehlfunktion und insbesondere im Kindesalter nach Entzündungs­herden (Nasennebenhöhlen, Zähne, rezidivierende Atemwegserkrankungen⁶, etc.) zu suchen, da letztere als Triggerfaktoren⁷ für einen Schub der AA wirken können. Es ist sinnvoll eine ausführliche Diagnostik einmalig bei Erstmanifestation zu veranlassen, auffällige Befunde wenn nötig zu behandeln bzw. zu kontrollieren. Eine kurzfristige Kontrolle und wiederholte Blutentnahmen ohne klinische Indikation machen in der Regel keinen Sinn, sondern im Gegenteil belasten die Kinder eher. Es geht den Kindern mit einer Alopecia Areata in der Regel gesundheitlich sehr gut, die Laborbefunde sind meist unauffällig; es sollte vermieden werden, sie durch nicht sinnvolle Diagnostik zu sehr zu belasten. Es ist vollkommen verständlich, dass die Eltern nichts versäumen wollen, jedoch sollte man sich auch bewusst sein, dass ein kreisrunder Herd oder der Haarausfall das Kind häufig nicht belastet, sondern die Belastung erst durch häufige Arztbesuche, wiederholte Blutuntersuchungen oder andere nicht zielführenden Untersuchungen entsteht.

Gibt es eine effektive Behandlung für die Alopecia Areata im Kindesalter?

Der Wunsch nach Behandlung steht bei allen Betroffenen und bei den Eltern verständlicherweise im Vordergrund. Auch wenn es interessante neue Erkenntnisse in der Pathophysiologie⁸ der AA gibt, hat dies leider noch nicht zu einer zuverlässig effektiven Therapie geführt. Insbesondere im Kindesalter gilt es vor Einleiten jeglicher therapeutischer Maßnahmen Nutzen und Risiko abzuwägen. Entscheidend sind Aspekte, wie nachgewiesene Erfolgsaussichten, Nebenwirkungsspektrum, Einfluss auf allgemein körperliche Entwicklung und wie belastend die Durchführung der Maßnahme ist. Ebenso wichtig ist die Frage, wann soll ich beginnen, ab welchem Alter, welche psychischen Belastungen bergen eine tägliche oder regelmäßige Anwendung einer Lokaltherapie für den täglichen Ablauf, all dies unter Berücksichtigung des eingeschränkten therapeutischen Rahmens. Oberstes Ziel sollte die normale körperliche und emotionale Entwicklung des Kindes sein.

Gibt es kritische Phasen für die Betroffenen?

Ein problematischer Zeitpunkt für die Betroffenen beginnt meist mit der Pubertät oder mit einem Schulwechsel, von der Grund- auf die weiterführende Schule. Es ändert sich hier der gewohnte Rahmen, der Freundeskreis ändert sich und vor allem das körperliche Bewusstsein und die sozialen Kontakte beim Heranwachsenden verändern sich. Gerade in diesen kritischen Phasen bedarf das Kind bzw. der/die Jugendliche einer emotionalen ggf. auch psychologischen Unterstützung nicht nur seitens der Eltern, Familie und der wichtigsten Bezugspersonen, sondern erfahrungsgemäß auch gerne durch eine Person von außerhalb, ggf. durch einen Psychologen. Gesprächs- und Verhaltenstherapeutische Ansätze sind hier hilfreich. Es geht um das sog. Coping, d.h. den Umgang mit der Alopecia Areata, der Situation des «sichtbar Andersseins», dazu kommt die hormonell bedingte Änderung des äußeren Erscheinungsbildes und anders gewichtete soziale Kontakte in der Pubertät. Gerade im Kindes- und Jugendalter sollten hier nicht ausschließlich die Eltern aus ihrer Sicht die Entscheidung fällen, sondern der/die Betroffene sollten unbedingt in alle Entscheidungen miteinbezogen werden.

Wichtig ist es gerade in diesen Phasen das soziale Umfeld zu informieren, vor allem in der Schule, auf Elternabenden, gerade beim Schulwechsel offen mit dem Thema umzugehen und die Mitschüler und auch andere Eltern z.B. während eines Elternabends auf die Bedeutung einer Alopecia Areata anzusprechen. Das Thema ist dann einmal angesprochen und abgehandelt.

Prof. Dr. med. Ulrike Blume-Peytavi

Legende: 1) Will man betonen, dass es sich um das erste Auftreten der Erkrankung bei einem vormals gesunden Patienten handelt, spricht man von Erstmanifestation. | 2) Erblich bedingte Anlage oder Empfänglichkeit für bestimmte Erkrankungen | 3) Bereitschaft eines Organismus, allergisch zu reagieren | 4) z. B. Psoriasis (Schuppenflechte) und Schilddrüsenfehlfunktion | 5) z. B. Neurodermitis | 6) Immer wiederkehrenden Atemwegsinfektionen z.B. Bronchitis | 7) Schlüsselreiz oder Auslöser einer Krankheit | 8) Lehre von den krankhaft veränderten Körperfunktionen, sowie ihrer Entstehung und Entwicklung